Fuldaer Bibliothekskataloge

Die überlieferten Bücherlisten und Bibliothekskataloge stellen wichtige, wenn auch immer wieder fragmentarische Quellen für die Fuldaer Bibliotheksgeschichte dar. Eine älteste Liste stammt aus dem der Zeit um 800. Sie ist teilweise radiert und daher nicht mehr vollständig zu entziffern. Ob sie tatsächlich den gesamten Bücherbestand des Konvents ein halbes Jahrhundert nach seiner Gründung wiedergibt, muss fraglich bleiben.

In der Zeit des Habanus Maurus wurde die damals schon umfangreiche Bibliothek in einem Katalog verzeichnet, der in seiner Detailliertheit an die Lorscher karolingischen Bibliothekskataloge erinnert. Der Hraban-Katalog war nach Autoren bzw. Sachgruppen gegliedert. Im Original ist uns in der Biblioteca Vaticana die (heute in falscher Reihenfolge gebundene) erste Lage des Katalogs erhalten. Sie besteht aus vier Doppel- und einem nachträglich ergänztem Einzelblatt und umfasst die Bereiche Bibeltexte, Hieronymus und Augustinus. Auf der Innenseite des zunächst frei gebliebenem Deckblatt dieser im Original erhaltenen Lage notierte man im 9. Jahrhundert ergänzende Bücherlisten.

Noch Anfang des 18. Jahrhunderts war ein weiteres Fragment ganz offensichtlich desselben Kataloges vorhanden, das Mönchsregeln, sowie Werke von Alcuin und Hrabanus Maurus verzeichnete. Es ist heute verloren, aber in Johann Friedrich Schannats Historia Fuldensis abgedruckt.

Rund 100 Jahre später datieren zwei schwer zu deutende kurze Listen von inhaltlich sehr unterschiedlichen Büchern nach ihrem Aufstellungsort, die jeweils am Anfang bzw. Ende einer Handschrift eingetragen sind. Ob die gängigen, zeitlich weit auseinanderliegenden Datierungen der Einträge (9. Jh., Ende und 10. Jh., 2. Hälfte) stimmig sind, ist fraglich.

Der Bestand der Fuldaer Bibliothek nach der Neuordnung und Unterteilung der Bibliothek in Ordines durch den Stiftskustos Johannes Knöttel (†1505) ist durch mehrere erhaltene Verzeichnisse des 16. Jahrhunderts gut dokumentiert. Das älteste von ihnen wurde 1507/1516 in Basel aus einer jetzt verlorenen Vorlage für den Drucker und Verleger Johannes Amerbach oder seine Söhne kopiert. Es dokumentiert — ebenso wie ein weiteres Verzeichnis in der Vaticana, das um 1550 von Georg Grasch aus Salmünster offenbar für Ottheinrich geschrieben wurde — den Gesamtbestand der Bibliothek. Dabei ist auffällig, dass eine ganze Anzahl von Büchern, die im Baseler Verzeichnis noch genannt wurden, im vatikanischen Verzeichnis fehlt. Für sie kann man vermuten, dass sie in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts Fulda verlassen haben. Dies lässt sich zum Teil auch nachweisen: Die entsprechenden Bände gelangten nach Basel und dienten dort als Textvorlagen für Druckausgaben lateinischer Werke. Obwohl die beiden Kataloge also unabhängig voneinander sind, müssen sie doch auch eine gemeinsame schriftliche Vorlage haben, wie die gleichlautende Präteritio für die Werke der Medizin (Ordo XXXV et XXXVI.) zeigt. Man kann diese gemeinsame Vorlage vielleicht in dem registrum solempne ad quoseunque libros citissime inveniendos sehen, das — wie wir aus der Chronik des Apollo von Vilbel wissen — Knöttel anlegen ließ. In dem Registrum könnten die abgegangenen Bände gestrichten oder anderweitig gekennzeichnet worden sein.

Ein drittes Verzeichnis der frühneuzeitlichen Bibliothek aus dem Jahre 1561 hat vielleicht mehr den Charakter eines Inventars, das Besitz nachweisen will, als den eines bibliothekarischen Findmittels. Es lässt die Verteilung der Codices auf Reihen und Regale erkennen.

Das letzte der vier Verzeichnisse wurde auf einen Wunsch der römischen Kurie von 1569 hin angefertigt. Es ist ein Auswahlkatalog der theologischen und kirchengeschichtlichen Werke und liegt uns in einer römischen Abschrift der Zeit um 1600 vor.

Älteste Bücherliste des Fuldaer Konvents (zum größten Teil radiert)
        A Basel, Universitätsbibliothek F III 15a, 17v-18r (8./9. Jh.)


Fragmente des Bibliothekskatalogs aus der Zeit von Hrabanus-Maurus
    Im Original überliefert:
        B5 Vatikanstadt, Biblioteca Apostolica Vaticana Pal. lat. 1877, 35r-43v (ca. 830)
        B1-4 Auf dem zunächst frei gebliebenem Deckblatt notierte ergänzende Bücherlisten
    Nur durch einen Abdruck überliefert:
        Johann Friedrich Schannat, Historia Fuldensis in tres partes divisa, cum figuris aeri incisis …; Codex probationum Historiae Fuldensis, Frankfurt a. M. 1729, p. 64sq.


Kurze Listen von Büchern nach ihrem Aufstellungsort in einem Regal
    Tertius ordo superioris numeri (‘3. Gruppe der oberen Abteilung’)
        D Fulda, Hochschul‑ und Landesbibliothek B 1, 31v (9. Jh., Ende [?])
    SEXTUS ORDO INferioris NUMERI (‘6. Gruppe der unteren Abteilung’)
        E Basel, Universitätsbibliothek F III 15b, vorderer Spiegel (10. Jh., 2. Hälfte)

Vier Kataloge der Bibliothek der Frühneuzeit nach der Neuordnung durch den Stiftskustos Johann Knöttel (†1505)
        Ba Basel, Universitätsbibliothek F III 42 (Basel 1507/1516, für Johannes Amerbach oder seine Söhne kopiert)
        V Vatikanstadt, Biblioteca Apostolica Vaticana Pal. lat. 1928 (Fulda um 1550, von der Hand von Georg Grasch aus Salmünster)
        F Marburg, Staatsarchiv R 58 (Fulda, um 1561 [Christ] oder nach ca. 1570 [Hellmann], ‘Inventar’)
        P Paris, Bibliothèque Nationale nouv. acq. lat. 643 (Rom um 1600, nach Fuldaer Vorlage um 1570)

 

 

Literatur zu den Fuldaer Bibliothekskatalogen